wine glass filled with water
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Warst du letztens mal in einer Synagoge?
Oder auch vor Covid?

In Deutschland gibt es mehr als 100 Synagogen. Einige Städte haben sogar mehr als eine. Und trotzdem sind die meisten von ihnen leer. Das lässt sich auf verschiedene Weisen begründen. Junge Menschen wollen nicht in den kleinen Städten bleiben, daher ziehen sie für ihr Studium in größere Orte um. Dort bleiben sie, wenn sie dann arbeiten. Oder sie ziehen in eine andere große Stadt. Nur selten kommen sie in ihre kleine Gemeinde zurück.

Des Weiteren kommt die Mehrheit der in Deutschland lebenden Juden aus der ehemaligen Sowjetunion. Die Meisten sind ohne jegliche Kenntnisse über das Judentum aufgewachsen und es gab keine Möglichkeit für sie etwas zu lernen. Als sie nach Deutschland immigrierten, wurde die jüdischen Gemeinden ein Ort des Treffens für sie. Hier konnten sie unter Leute kommen. Aber die Synagoge blieb ein Mysterium.

Aber sogar in größeren Gemeinden, mit Mitgliedern, die hier aufgewachsen sind, eine jüdische Schule oder zumindest jüdischen Religionsunterricht besucht haben, auch diese Synagogen sind nicht voll. Halbvoll – um die Analogie des Glasses zu benutzen.
Die vollere Hälfte der Synagoge befindet sich unten oder vorne oder in der Mitte. Dort sind die Männer. Sie gehen schon immer in die Synagoge. Ihre Väter und/oder Großväter brachten sie jeden Samstag mit sich. Vollkommen unwichtig, wie observant die Familie sonst war, man – Mann – ging in die Synagoge. Diese Männer, nun selbst Väter, bringen auch ihre Söhne mit.

Die Söhne lernen, wie man einen Siddur hält, wann man welches Gebet spricht, sie haben die Möglichkeit zu fragen, was während des Gottesdienstes geschieht. Für ihre Bar Mitzwa lernen sie mit dem Rabbiner, der Vorbeter oder einem anderen Lehrer, im Einzelunterricht. Bei einer großen Gemeinde haben sie gegebenenfalls auch noch die Möglichkeit zusätzlich einen Bar-Mitzwa-Club zu besuchen.

Und dann gibt es noch den halbleeren Teil der Synagoge. Die Frauen und Mädchen fehlen. Mütter bringen ihre Töchter nicht in die Synagoge, weil ihre Mütter es auch schon nicht gemacht haben. Sie wissen nicht, was beim Gottesdienst passiert und welches Gebet, wann gesagt wird. All diese Frauen sind gebildet, arbeiten, führen an. Aber wenn es um das Geschehen in der Synagoge geht scheinen sie verloren. Verloren zu sein, niemanden fragen zu können führt dazu, dass man frustriert ist und kein Interesse hat, an einem normalen Schabbat die Synagoge zu besuchen.
Ihre Töchter haben vielleicht das Glück einen Bat-Mitzwa-Club zu besuchen. Doch dieser besteht meist aus Basteln und Challa backen. Kerzenständer zu bemalen ist schön, wenn man über diese Mitzwa lernt. Doch im Vergleich zu dem, was Jungs in ihrem Bar Mitzwa Unterricht lernen, ist es ziemlich infantilisierend.

Falls wir aber daran Interesse haben, dass Synagogen und das Judentum weiter bestehen, muss es jetzt eine Veränderung geben. Frauen und Mädchen müssen die Möglichkeit haben zu lernen und sich in den Synagogen willkommen fühlen. Synagogen waren nie dafür vorgesehen, reine Männerclubs zu sein. Es sind Orte, um zusammen zu kommen und gemeinsam zu beten.
Wenn Frauen Synagogen nicht besuchen, werden auch bald ihre Ehemänner und Partner nicht mehr kommen. Und dann ist das Glas nicht mehr halbleer oder halbvoll, sondern einfach nur leer.

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