Ich habe drei Jahre darauf gewartet. Drei Jahre.
Die vergangenen zwei Jahre war Covid und die Synagogen waren zu. Die kleinen jedenfalls. Meine. Vor zwei Jahren gab es überhaupt nur Tfillot zu Rosch HaSchana und Jom Kippur. Im vergangenen Jahr hatten wir schon damit begonnen, Gebete an Schabbatot zu haben, aber Sukkot und Schmini Atzeret/Simchat Tora waren immer noch nicht als regelmäßige Gebete vorgenommen.
Dieses Jahr sollte es anders werden. Und je näher wir an Simchat Tora kamen, desto aufgeregter und nervöser wurde ich. Werden wir einen Minjan haben? Werden Kinder in der Synagoge sein? Werden Frauen und Mädchen kommen?
Zum Einen war mir wichtig, ein schönes Simchat Tora zu haben, aber eigentlich hatte ich einen bestimmten Hintergedanken. Vor drei Jahren wurde am Abend vom Simchat eine Frage gestellt. Nicht das erste Mal und es gab wie immer keine vernünftige Antwort.
Warum erhalten nicht auch die Frauen auf ihrer Seite eine Torarolle, um während der Hakafot damit zu tanzen?
Die Antworten, die wir Frauen auf diese Frage erhielten waren unter anderem:
„Wofür braucht ihr das?“
„Wir können nach den Feiertagen darüber sprechen.“ (Als ob das jemals geschieht)
„Da müssen wir den Rabbiner fragen.“
Die Frage beschäftigte einige von uns und wurde bei mir an dem Abend am Tisch mit einigen Studenten fortgesetzt. Wir haben alle genug Wissen, um zu wissen, dass es nichts gibt, das dagegen spricht. Das einzige Argument: „Es war schon immer so.“
Als am nächsten Morgen immer noch keine vernünftige Antworte von den Verantwortlichen kam, nahm ein Mann die Sache in die Hand und gab eine Torarolle einfach zu den Frauen rüber. Wir waren alle überrascht. Es gab keine Proteste, kein Geschrei, nichts. Die Männer tanzen auf ihrer Seite weiter und eine Frau machte ein paar Runden auf unserer Seite mit der Tora.
Seitdem hat sich vielen in dieser Synagoge geändert, wie in so vielen Synagogen auf der Welt.
Als nun Simchat Tora auf uns zukam, wunderte ich mich, ob ich offiziell etwas sagen sollte oder einfach abwarten und schauen, was passiert. Ich habe im vergangenen Jahr das Rabbinat und die Rabbiner genug verärgert. Wahrscheinlich wäre es besser, wenn ich nicht noch mehr provozierte.
Also wartete ich ab. Und es gab einen Minjan, und es gab Kinder, und es gab Mädchen und Frauen. Nicht viele, aber einige. Es kam der Moment, die Torarollen wurden rausgeholt. Ein Mann nach dem anderen wurde aufgerufen, um eine der Rollen zu nehmen. Übrig blieben einige, die repariert werden müssen. Und noch eine.
Die Worte einer Bekannten, zu der ich aufschaue, klingen in meinen Ohren, wenn ich an diesen Moment denke: „Schaff dir Verbündete!“ Wieder war es ein Mann, der die Torarolle aus dem Schrank holte und sie zu den Frauen brachte.
Überwältigt und unbeholfen, aber eine Frau nahm sie und trug sie in den Frauenteil der Synagoge. Die Freude, die danach zu beobachten war, war unbeschreiblich. Während einige große Berührungsangst hatte und sich nicht trauten, die Tora in die Hand zu nehmen, waren andere voller Begeisterung.
Die schönste Beobachtung an diesem Abend war meine Tochter. Sie tanzte mit der Tora und den gesamten Weg nach Hause und den Abend redete sich von nichts anderem. Sie hatte die Tora gehalten, sie hatte damit getanzt.
Simchat Tora – im wahrsten Sinne des Wortes.
Dieser Moment. Dieser Abend und der kommende Tag hat für ihr Judentum mehr getan, als jedes Challa backen oder Mischna lernen. Ein Teil dessen zu sein, was in der Synagoge passierte. Das war ausschlaggebend.
Das Glänzen in den Augen eines Teenagermädchens, das seine Rolle im Judentum noch sucht, der Stolz, der ausstrahlte – das sind nur zwei der vielen Gründe, warum wir das brauchen?
Die Frage ist zudem falsch gestellt. Es darf nicht heißen „Wofür braucht ihr das?“
Die Frage ist:
Wofür brauchen wir das?
Für Chinuch, für den Fortbestand des Judentums, für uns, euch, die nächste Generation.
Für die Freude an der Tora.